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Monumente der Kelten/Germanen?

in Fragen an den Archäologen 14.07.2011 23:14
von loeschi1990 • 1 Beitrag

Hallo liebe Archäologen/innen,

erstmal vorweg: ich find euer Forum echt super, endlich kann ich mal Leute mit Fragen löchern, die sich WIRKLICH auskennen :) Ich selbst bin neu hier und sehr archäologieinteressiert. Ich habe ein halbes jahr beim Deutschen Archäologischen Institut in Damaskus gearbeitet (als Freiwilliger) und habe dort vieles mitbekommen, von neolithischen ausgrabungsstätten bis hin zu frühislamischen minaretten. :) Trotzdem bin ich wirklich alles andere als ein Fachprofi, daher meine Frage:

Neulich habe ich im Fernsehen eine Dokumentation über Gilgamesch gesehen. Daraus ging hervor dass es mal einen Herrscher von Uruk gab, namens Gilgamesch, der unter anderem dafür gerühmt wurde, eine gigantische Stadtmauer errichtet zu haben. Ausserdem enthielt die Stadt ein umfangreiches Kanal- und Bewässerungssystem, das seines gleichen sucht. Da das ganze, wie gesagt, im Reich Uruk stattfand reden wir hier denke ich von einer zeitspanne zwischen 3500 und 2800 v. chr. (ungefähr). In meiner Zeit in Syrien durfte ich auch viele andere Monumente bestaunen, beispielsweise die Ruinenstadt palmyra aus römischer Besatzungszeit oder das berühmte Petra, ein wahres Weltwunder, das die Nabatäer da in den Stein gehauen haben (so um 200 v.chr. war das glaube ich).

Während ich also so vor dem Fernseher saß kam mir der Gedanke: Wenn es die Menschen von Uruk vor über 5000 Jahren fertigbrachten, riesige monumentale Mauern, Tempel und ausgefeilte Bewässerungssysteme zu schaffen, wieso gibt es solche Monumentalbauten nicht auch hier im nördlichen Europa, nicht einmal aus der Zeit von sagen wir 300 vor bis 200 nach christus? Als erstes fiel mir natürlich dazu ein, dass die Keltischen und germanischen Völker (ich weiß dass der begriff "germane" nicht ganz eindeutig geklärt ist ich meine hiermit die Volksgruppen, die sich im Zeitraum von 300 vor bis 200 nach christus zwischen den keltischen und Skytischen Siedlungsgebieten bzw. auch im heutigen Skandinavien befanden) hauptsächlich aus holz bauten und das ja nun mal leider verrottet. Wir sind ja froh wenn wir mal ein hühnengrab oder einen Monolith aus der Zeit finden. Aber andererseits findet man ja in Deutschland auch genügend "germanische Dörfer" die man mit der familie besuchen kann, die angeblich rekonstruktionen von Dörfern seien, wie man sie im oben genannten Zeitraum hätte vorfinden können. Prachtvolle Tempelanlagen, Gigantische Palisadenwälle oder ähnliches fehlen dort allerdings meistens...die hätte man ja dann auch sicher rekonstruieren können, ich meine, monumentalbauten können ja auch aus Holz sein. Die Frage ist wieso haben es die keltischen bzw. Germanischen kulturkreise nie besonderen Wert auf solche monumentalen Bauwerke gegeben? War es ihnen nicht wichtig? War es ihnen nicht möglich? Hat das eventuell religiöse Gründe (obwohl hier ja auch polytheistische Religionen vorhanden waren, wie damals in Uruk oder bei den Nabatäern auch)?

Vielen Dank schonmal im Voraus ;)

Liebe Grüße,

Tobias

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#2

RE: Monumente der Kelten/Germanen?

in Fragen an den Archäologen 15.07.2011 15:36
von gaggii • Administratorin | 162 Beiträge

Hallo Tobias,

herzlich willkommen im Forum von Archeoworld. Es freut mich, dass Dir unser Forum gefällt und ich hoffe, dass ich Dir weiterhelfen kann.

Was "Monumentalbauten" der Kelten und Germanen betrifft, liegst Du schon richtrig mit der Vermutung, dass gerade hier in Deutschland natürlich vorwiegend mit Holz gebaut wurde, von denen leider nur selten Überreste zu finden sind.
Wenn wir jedoch auf eine Siedlung treffen, können wir die Hausbauten oftmals sehr gut anhand der Pfostenlöcher rekonstruieren. Sie gebenb uns Hinweise auf den Grundriss der jeweiligen Bauten.
Befestigungsmauern wurden auch hier in Deutschland recht häufig angelegt. Und das nicht nur zu Zeiten der kelten und germanen. Bereits im Neolithikum wurden Wälle errichtet, manchmal auch mit Holzpallisaden versehen. Die Wälle können wir auch häufig nachweisen, manchmal sind sie auch noch in der Landschaft zu erkennen. Zur Errichtung dieser Wälle wurde meist Erde verwendet, die aus Gräben stammte, die entweder vor oder hinter dem Wall zu finden waren und einen weiteren Schutz boten. In keltischer Zeit finden sich auch steinerne Erdwälle (unser Forumsmitglied SB77 hatte da mal ein paar Fotos in die Bildergalerie gestellt).
Der Grund, warum bei uns in der Regel aus Holz gebaut wurde, ist de Tatsache, dass Deutschland zur damaligen Zeit sozusagen ein riesiges Waldgebiet war und dieser Rohstoff jederzeit zur Verfügung stand und sich gut bearbeiten ließ. Lehmziegelbauten, wie sie im Vorderen Orient zu finden sind, hätten sich bei uns schon aufgrund des Klimas nicht wirklich geeignet (bei einem starken Regenfall wären die Häuser in dem feuchten Klima einfach weggeschwommen) und es würden sich daher auch keine Überreste mehr finden lassen.
Bewässerungsanlagen wie man sie in Uruk oder anderen vorderasiatischen Ruinen finden kann, waren bei uns nicht nötig. In der Regel hat man an Flüssen gesiedelt und in den Siedlungen Brunnen gebaut. Die häufigen Regenfälle haben die Felder (meistens) ausreichend bewässert. Auch lebten Kelten und Germanen in Stämmen, folglich reichte der Bau eines Dorfes und mann musste keine "Großstädte" wie z.B. Rom, Uruk oder Babylon bauen - dies gehörte einfach nicht zur Lebensweise der Kelten und Germanen.
Große Tempel waren ebenfalls nicht von Nöten, da man die Götter an freien offenen und heiligen Plätzen verehrte und dort seine Rituale durchführte. Ebenso finden sich keine Abbilder germanischer Götter auf Keramiken oder als Statuetten. Man fertigte Holzidole an, die nach dem Ritual meist iun einem See oder Moor versenkt wurden. Ein entsprechendes Exemplar findet sich im Neuen Museum Berlin, dass aus einem Moor in der Nähe von Brandenburg entdeckt wurde.
Hingegen kann man einige Bestattungen, besonders Keltische, durchaus als "monumentral" Bezeichnen. So zum Beispiel das keltische Grab von Hochdorf. Dort wurden reiche Grabbeigaben innerhalb eines großen Grabhügels entdeckt - z.B. eine goldene Kline, ein riesiger Bronzekessel, Pferdegeschirr uvm.

Wie die verschiedenen Kulturen ihre Bauten errichteten und wie ihre Lebensweise und auch der Umgang mit ihren Göttern war, hängt eben auch von den landschaftlichen und klimatischen Bedingungen ab.

Ich hoffe, ich konnte Dir Deine Frage damit erst einmal grob beantworten.
Ansonsten, einfach weiterfragen ;-)

Viele Grüße

Gaggii


Nichts ist haltbarer als ein gut gegrabenes Loch!

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