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Indiana Jones geht in die Luft

in News-Ticker 28.10.2011 16:36
von Natty • 61 Beiträge

Indiana Jones geht in die Luft

Immer nur buddeln? Ist von gestern. Moderne Archäologen setzen Drohnen ein: Im russischen Altai-Gebirge spüren Forscher mit Hilfe der kleinen Fluggeräte imposante Gräber der Skythen auf. Die Zeit drängt - die Stätten könnten bald zerstört werden.

Hamburg - Der Kronberger Apotheker Julius Neubronner hatte zwei Hobbys: seine Brieftauben und die Fotografie. Im Jahr 1903 kam er auf die Idee, diese beiden Hobbys zu verbinden. Also schnallte er seinen Tauben eine kleine Kamera mit zeitverzögertem Auslöser vor die Brust und schickte die Vögel los. Das Schloss seiner Heimatstadt Kronberg bekam Neubronner so von oben zu sehen, ebenso wie die Straßen der nahen Großstadt Frankfurt. Um auch weiter entfernt liegende Orte aus der Luft fotografieren zu können, erfand er einen mobilen Taubenschlag und trainierte seine Tauben auf die rollende Unterkunft.

Heute profitieren Wissenschaftler wie der Belgier Marijn Hendrickx von der Idee des Apothekers. Nur die Ausstattung hat sich seit den Tagen Neubronners erheblich verändert. Statt Brieftauben nutzte der Forscher von der Universität Gent einen kleinen Modellhubschrauber, eine sogenannte Mikrodrohne. Mit diesem untersuchte er im Sommer eine Reihe von skythischen Grabhügeln im russischen Altai-Gebirge aus der Luft. Von Ausgrabungen per Spaten, Pinsel und Zahnstocher ist diese Archäologie mittlerweile weit entfernt.

Auf Basis der Aufnahmen aus 70 sowie aus 40 Metern Höhe konnten Hendrickx und seine Kollegen ein 3-D-Modell der Landschaft berechnen und sogar einen der Hügel, der durch Raubgrabungen bereits stark zerstört ist, zumindest am Rechner wieder rekonstruieren. Mit herkömmlichen Vermessungsmethoden wäre dies schwierig gewesen, denn die Hügel liegen in unwegsamem Gelände und sind unter dichtem Gebüsch und Bäumen versteckt.

Das größte Problem ist der Wind

Der Hubschrauber, den Hendrickx über die Grabhügel schickte, ist ein sogenannter Quadrocopter. Unbeladen wiegt der batteriebetriebene Flieger nur 585 Gramm, kann aber eine Ladung von bis zu 200 Gramm mitnehmen. Das reicht gerade für eine kleine Kamera. Von Rotorblattspitze bis Rotorblattspitze misst "md4-200" 70 Zentimeter. Die kleine Drohne kann mit ihren Batterien je nach Ladung und Wind bis zu 20 Minuten in der Luft bleiben und ist in einem Radius von bis zu zwei Kilometern um die Bodenstation noch gut kontrollierbar. Die Kamera und ein GPS-Gerät übertragen Daten per Funk direkt auf den Rechner.

"Das größte Problem ist der Wind", erklärt Hendrickx im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Bei Windgeschwindigkeiten über vier Metern pro Sekunde werden die Fotos unscharf." Im Gebirge kann es schnell stürmisch werden. "Einmal haben wir dabei die Funkverbindung zu unserer Drohne verloren", erzählt Hendrickx. "Da mussten wir dann so schnell es geht zwischen die Grabhügel sprinten und sie suchen." Damit dies nicht mehr vorkommt, wurde das Nachfolgemodell "md4-1000" vom Hersteller Microdrones bereits so konstruiert, dass es noch bei Windgeschwindigkeiten bis 13,8 Metern pro Sekunde eingesetzt werden und sogar eine Last von bis zu 1,2 Kilo tragen kann.

Hatten die russischen Grenzbeamten denn keine Bedenken, Wissenschaftler mit einem kleinen Spionagehubschrauber im Gepäck einreisen zu lassen? "Nein, gar nicht", meint Hendrickx. "Wir waren gut vorbereitet. Wir hatten eine sehr detaillierte Beschreibung der Ausrüstung dabei und Briefe von den Rektoren sowohl der Universität Gent als auch der russischen Gorno-Altaisk Staatsuniversität. Darin stand ausdrücklich, dass es sich um Geräte für archäologische Forschungen handelt."

Für reiche Goldfunde bekannt

Die skythischen Grabhügel des Altai-Gebirges sind bekannt für ihre reichen Goldfunde. Vor zehn Jahren entdeckte der deutsche Archäologe Hermann Parzinger in der südsibirischen Republik Tuwa einen unversehrten Grabhügel mit Tausenden von Goldobjekten. Diese imposanten Hügel, Kurgane genannt, errichteten die Reiternomadenvölker zwischen 800 und 300 vor Christus.

Tuekta, das Arbeitsgebiet Hendrickx', liegt westlich von Parzingers Goldfund - dort, wo Russland, China, Kasachstan und die Mongolei zusammenstoßen. Ein unwegsamer Flecken Erde, doch die Skythen wählten ihn einst, um hier ihre Toten zu begraben. Rund 200 Kurgane liegen in Tuekta am Ufer des Flusses Ursul. "Die meisten davon sind aber schon lange zerstört", bedauert Hendrickx.

Der Genter Geograf ist bei weitem nicht die Einzige, die für die Suche nach archäologischen Spuren auf Luftaufklärung setzt. Ein Schweizer Team überflog mit einem Mini-Helikopter die peruanischen Ruinen von Pinchango Alto. Ebenfalls einen Hubschrauber, einen Octokopter, benutzte ein deutsches Team, um damit Architekturreste im mongolischen Orkhon-Tal zu dokumentieren. Und der Belgier Geert Verhoeven, ein Kollege Hendickx' von der Universität Gent, entwickelte eine Kreuzung aus Zeppelin und Lenkdrachen - den sogenannten Helikite - der besonders ruhig und stabil in der Luft liegt und sich damit hervorragend für Luftbildaufnahmen eignet.

Ein weiterer großer Vorteil der archäologischen Dokumentation aus der Luft ist, dass man so sehr viel schneller größere Flächen erfassen kann. Das hilft vor allem dann, wenn einer Fundstätte die Zerstörung - etwa durch Bauprojekte - droht: Die Archäologen müssen dann in kurzer Zeit so viel wie möglich dokumentieren, ehe die Befunde für immer verlorengehen. Vor dieser Herausforderung werden die Archäologen im Altai-Gebirge in der nahen Zukunft stehen. "Hier wird eine Pipeline von Russland nach China gebaut", sorgt sich Hendrickx, "und die Trasse verläuft direkt durch einige der schönsten archäologischen Stätten. Mehr als tausend Monumente sind in Gefahr - und das ist noch eine konservative Schätzung." Es wartet also viel Arbeit auf die Archäologen und ihre Drohnen.


Quelle: Spiegel Online


ARCHÄOLOGEN: Leute deren Laufbahn in Trümmern liegt.

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